Ich habe einen Versuch gewagt und mit Jörg Heiser für Deutschlandfunk Kompressor über die Zukunft von Kunstdebatten nach der Documenta15 gesprochen. Eine Auseinandersetzung mit Antisemitismus, Rassismus und daneben auch sämtlichen anderen Formen der Diskriminierung in ihren je eigenen Ausprägungen spielen in meiner kuratorischen Arbeit ganz grundsätzlich eine Rolle. Dabei meine ich nicht unbedingt die Inhalte einzelner Arbeiten, sondern viel eher die Kontexte, in die diese eingebettet sind. Es gibt keine Kunst ohne Kontext. Und diesen Kontext deutlich zu machen, im Zusammenspiel mit dem Werk zu diskutieren erachte ich als wesentlichen Teil des Werks und der Befassung damit.
Ich finde daher nicht, dass das Kurator*innen Kollektiv ruangrupa allein überfordert war, wie im Einleitungstext zur Sendung konstatiert (vielleicht auch das). Der deutsche Kontext ist ein spezifischer und zugleich extrem komplexer und damit per se überfordernd, allein schon innerhalb Deutschlands. Wenn wir hier kaum verstehen, worum es geht, wie können wir das von anderen erwarten? Ich glaube sogar, dass Perspektiven aus anderen Kontexten zu einem besseren Verständnis dieser Komplexität beitragen können, dazu müssen diese aber auch in ihrer Eigenart gesehen und anerkannt werden. Insofern, wenn ruangrupa überfordert waren, dann war es aber auch die deutsche Kulturlandschaft. Es entstand eine Situation, die ich aber nicht als gescheitert betiteln würde, sondern als unbedingte Chance und wichtige Herausforderung. Schnelle Ergebnisse wird es nicht geben.
Wir befinden uns zumindest in diesem Land seit dem formalen Ende des Nationalsozialismus in einem Prozess der Erinnerung und einem steten Aushandeln darüber, wie dieses viel beschworene Nie-Wieder aussehen muss. Ein Antisemitismus-, Rassismus- etc. check ist nicht die Lösung, zugleich bedeutet das nicht, dass diese Diskriminierungsformen keine Rolle spielen sollen. Es geht vielmehr darum, in einem gegenseitigen Annäherungsprozess VONEINANDER zu lernen und gemeinsam Zukünfte zu imaginieren, in denen diese Diskriminierungen keine Rolle mehr spielen werden. Das beinhaltet ein Wissen und eine Kenntnis um diese Formen, ihre (Gewalt-)Geschichte, Wirkungsweise und Verletzungen. Das bedarf aber auch der Entwicklung einer Vorstellung davon, wie es einmal sein kann.